Bald steigen die Preise für Billette. Der Preisüberwacher fordert eine Reaktion, doch selbst ÖV-Politiker winken ab. 

Beobachter 25/23, erschienen im Dezember 2023 

9 Euro im Monat kostet das Deutschlandticket. Es ist gültig in jedem Regionalzug, jeder S-Bahn, jedem Bus und allen U-Bahn-Linien – landesweit. Frankreich will im Sommer 2024 ein ähnliches Abo einführen. In Österreich gibt es seit zwei Jahren das Klimaticket, ein GA für gut 1000 Euro. In Luxemburg ist der öffentliche Verkehr seit 2020 sogar gratis. Die Länder haben ein gemeinsames Ziel: die Leute mit günstigen Angeboten zum Umsteigen vom Auto auf den ÖV zu bringen.

In der Schweiz dagegen wird der ÖV teurer. Am 10. Dezember steigen mit dem Fahrplanwechsel die Billettpreise im Schnitt um 3,7 Prozent. Es ist zwar die erste generelle Erhöhung seit sieben Jahren. Aber in den letzten 30 Jahren haben sich die Billettpreise fast verdoppelt (plus 92 Prozent).

Autofahren ist in der gleichen Zeit nur 29 Prozent teurer geworden, die allgemeine Teuerung betrug 38 Prozent. Das zeigt ein Vergleich der «Sonntagszeitung», basierend auf Daten des Preisüberwachers. Der ÖV-Anteil am Gesamtverkehr ist zwar der höchste in Europa, seit 2010 hat er sich aber nicht mehr erhöht.

Kein Land gibt mehr für den ÖV aus

Trotzdem sind die offiziellen Schweizer ÖV-Interessenvertreter gegen eine Preispolitik wie in Deutschland, Österreich oder gar Luxemburg. «Der Anteil des ÖV am Gesamtverkehr muss durch ein noch besseres Angebot erhöht werden, nicht mit einer Vergünstigung derBillettpreise», sagt Mitte-Nationalrat Martin Candinas, Präsident von Litra, dem Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr.

Kein anderes Land gebe pro Kopf mehr Steuergeld für Bahn und Bus aus. Darum sei die Schweiz ÖV-Europameister. Doch die Einnahmen aus Billetten und Abos decken nur die Hälfte der Kosten. «Das Angebot ist viel besser als vor 30 Jahren, das muss sich im Preis widerspiegeln.»

Auch er wolle mehr Leute im Zug, sagt Candinas. «Für preisliche Anreize müssen aber die Verkehrsunternehmen sorgen, mit attraktiven Angeboten wie Spartickets oder massgeschneiderten Abos.»

Geld aus der Benzinsteuer?

Anders sieht das Preisüberwacher Stefan Meierhans. Der Preis spiele eine wichtige Rolle, ob Reisende für eine Strecke das Auto oder den Zug nehmen, gerade wenn sie ein Auto besitzen. Dabei sei es für Einzelpersonen meist unbedeutend, wie gross das Angebot an Verbindungen insgesamt sei. «Entscheidend ist, wie viel die Fahrt kostet, die man konkret machen will. Der Preis pro Kilometer ist deutlich gestiegen.» Der Preisüberwacher fordert darum eine Mobilitätsstrategie wie in Österreich, die unter anderem das Klimaticket hervorgebracht hat. Die Politik müsse verbindliche Ziele für den ÖV-Anteil am Gesamtverkehr festsetzen. Darauf müssten dann alle Einflussfaktoren ausgerichtet sein – auch die Preise.

Doch woher die Mittel dafür nehmen? Ein konkreter Vorschlag kommt von den Grünen und ist von der Stossrichtung her nicht wirklich überraschend. «Um die

Klimaziele des Bundes zu erreichen, kommen wir nicht darum herum, mehr Geld aus den Benzin- und Fahrzeugsteuern für den öffentlichen Verkehr statt für neue Strassen einzusetzen», sagt Nationalrätin Florence Brenzikofer, Mitglied der Verkehrskommission.

Als Beispiel für ein funktionierendes, von der öffentlichen Hand stark vergünstigtes Angebot nennt sie das Umwelt-Abo der Region Basel. Für 86 Franken im Monat kann die Bevölkerung der Region im ganzen Tarifverbund Nordwestschweiz reisen, von Anwil oder Laufenburg bis nach Basel und zum Flughafen. «Das von Gemeinden und Kanton finanzierte U-Abo ist eine Erfolgsgeschichte. Es braucht jedoch neue, flexiblere Angebote auch über die Verbundsgrenzen hinaus.»

Keine Chance in Bundesbern

In Bundesbern sind günstigere Preise für Bahn und Bus zurzeit aber chancenlos. ÖV-Politikerinnen müssen darum kämpfen, dass auf die jetzige Tariferhöhung nicht bald eine nächste folgt. Wegen der angespannten Finanzlage will das Bundesamt für Verkehr die Beiträge des Bundes kürzen, ebenso die Finanzkommission der beiden Räte.

Der Luxemburger Verkehrsminister sagte diesen Herbst zum dortigen Gratis- ÖV: «Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Wir hätten das Geld auch für zusätzliche Autobahnen ausgeben können, haben es aber gezielt genutzt, um den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.»

Die Schweiz plant zwar ebenfalls den ÖV-Ausbau, in den nächsten Jahren sind Investitionen von 6,4 Milliarden Franken vorgesehen. Zugleich wollen Bundesrat und Parlament aber auch die Autobahnen ausbauen – und haben dafür 5,3 Milliarden gesprochen.

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