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– 03. März 2021 05:00
 
 

Wann sollen die Restaurants wieder öffnen und wer soll das entscheiden? Darüber streiten die National- und Ständeräte derzeit leidenschaftlich. Nicole Nars-Zimmer ( Basel, 23. November 2020)

Im bürgerlichen Lager sitzt der Frust tief über die Coronapolitik des Bundesrates. «Wir Parlamentarier mussten bis zu dieser Session zuschauen. Nun ist es Zeit, dass wir dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger Gehör verschaffen und Druck auf den Bundesrat machen», findet die Baselbieter FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger. Sie fordert mehr Mitsprache des Parlaments bei den Lockerungsschritten. Eine knappe Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrates, der auch Schneeberger angehört, will deshalb die Öffnung von Restaurants, Fitnesscentern und Kulturbetrieben per 22. März im Covid-19-Gesetz verankern, das in der angelaufenen Session von beiden Kammern beraten wird. «Mit Impfen, Massentests und Schutzkonzepten sollten dies alles möglich sein», findet Schneeberger.

Sollberger: «Es gibt überhaupt keinen Anlass zum Nichtöffnen»

Unterstützung hält die Thürnerin Schneeberger von ihren Oberbaselbieter Ratskollegen Thomas de Courten und Sandra Sollberger (SVP). Der Bundesrat habe wiederholt die Empfehlungen der Kommissionen als auch der Kantone ignoriert, kritisieren die beiden. «Es ist höchste Zeit, dass das Parlament wieder in die Verantwortung tritt», sagt de Courten. Zur konkreten Forderung fügt Parteikollegin Sollberger an: «Gerade die Gastrobranche hat vorbildliche Schutzkonzepte entwickelt, die überhaupt keinen Anlass zum Nicht-öffnen geben.»

Das sieht allerdings eine klare Mehrheit der Bernfahrer aus den beiden Basel anders. Zum Beispiel die Biel-Benkemer Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Sie begrüsst zwar die Forderung nach weiteren Öffnungsschritten per 22. März und verweist auf die entsprechende Erklärung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission. Doch deren Entscheid, diese Schritte mit Datum im Gesetz zu verankern, lehnt Schneider-Schneiter ab. Letzteres sieht auch die Basler GLP-Nationalrätin Katja Christ so. Und sie fügt an: Lockerungen müssten immer mit Rücksicht auf die Entwicklung der Pandemie erfolgen. Der Basler LDP-Nationalrat Christoph Eymann plädiert ebenfalls für ein vorsichtiges Vorgehen – und vertritt damit eine andere Meinung als viele FDP-Fraktionskollegen: «Aus Gesprächen mit Experten schliesse ich, dass die Gefahr einer Weiterverbreitung des Virus nach wie vor besteht und von vielen unterschätzt wird.» Zudem kritisiert er das «Muskelspiel» des Parlaments mit dem Bundesrat.

Nussbaumer: «Das ist gesetzgeberischer Blödsinn»

Im linken Lager sind die Meinungen ohnehin gemacht: Die Aufhebung einer Schutzmassnahme mit einem Datum in ein Gesetz zu schreiben, sei gesetzgeberischer Blödsinn, sagt der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Gar übergriffig und verantwortungslos nennt dessen Parteikollegin Samira Marti das Vorgehen:

«Die Mitglieder der Wirtschaftskommission hätten in ihrer Sitzung besser darüber diskutiert, wie die Lücken bei der Unterstützung der Betriebe in Not geschlossen werden könnten, anstatt dass sie sich zu Hobby-Epidemiologen aufspielen.»

Ähnlich scharfe Kritik an der Kommission kommt vom Basler SP-Nationalrat und Gastro-Unternehmer Mustafa Atici. Er kämpfe an allen Ecken und Enden für die Belange der betroffenen KMU, kommentiert er die geforderten Lockerungen. «Die Gesundheit geht vor. Der Bundesrat muss die Flexibilität behalten, die Öffnung situationsgerecht anzuordnen.»

Dass sich die wissenschaftliche Taskforce nicht mehr öffentlich zu Coronamassnahmen äussern soll – auch dies soll gemäss dem knappen Kommissionsentscheid ins Gesetz – kritisieren insbesondere Parlamentarierinnen der Grünen. Damit werde die Wissenschafts- und Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt, sagt die Oltinger Nationalrätin Florence Brenzikofer. Das sei ein gefährlicher Präzedenzfall.

Herzog: «Diskussion heizt nur unnötig die Stimmung auf»

Die beiden Ständerätinnen Maya Graf (Grüne, BL) und Eva Herzog (SP, BS) argumentieren vor allem staatspolitisch: «Wir alle sehnen uns nach Normalität und sind ungeduldig. Gerade daher muss die Politik kühlen Kopf bewahren», sagt Graf. Ein Hüst und Hott und folglich eine dritte Welle müsse unbedingt vermieden werden. Herzog findet, dass das Krisenmanagement richtigerweise beim Bundesrat angesiedelt sei und das Parlament eine andere Rolle habe. «Die Diskussion um die gesetzliche Verankerung der Öffnung trägt nichts zur Bewältigung der Krise bei, sie heizt nur unnötig die Stimmung auf», sagt Herzog.