Keine Böller aus China – dafür ein nach wie vor andauerndes kulturelles Feuerwerk im laufenden Monat August, der für mich mit einer wunderschönen 1.-AugustFeier im Zeichen von Brauchtum und Solidarität in meiner Heimatgemeinde begonnen hat. Statt Luftheuler gab es in diesem Monat Klänge neuer Volksmusik in der Oberen Mühle in Oltingen. Und anstelle von chemisch eingefärbtem Schwarzpulver sorgen Ende Monat die Darbietungen des internationalen Theaterfestivals für farbige Funken, die von der Kaserne Basel oder dem Roxy Birsfelden über das Neue Theater Dornach bis nach Sissach und Oltingen sichtbar sein werden.
Das kulturelle Hauptbouquet wird für viele zweifellos in Pratteln stattfinden,
dem diesjährigen Austragungsort des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes, dem Esaf. Die Schweiz hat im Rahmen der Unesco-Konvention zur Bewahrung
des immateriellen Kulturerbes eine lange Liste solcher lebendiger Traditionen erstellt, wie sie beispielsweise die Älplerkultur ist. Darunter findet man neben der Basler Fasnacht auch den Baselbieter «Eierläset» oder den schönen Brauch des «Chrööpfelimee»-Singens aus Zug, an dem einmal im Jahr zahlreiche Sängergruppen
den verlobten oder frisch verheirateten Liebespaaren in der Zuger Innenstadt ein Ständchen bringen. Kultur und Tradition sind lebendig, wachsen, entwickeln und
verändern sich: Es ist paradox, aber gerade das Wiederholen des Vergangenen
in der Gegenwart führt dazu, dass sich das Vergangene verändert und so auch
für die Zukunft erhalten bleibt. Manchmal geschehen diese Veränderungen unbemerkt, und plötzlich wird etwas Neues zu einem Sinnbild für Tradition. Bestimmt
wissen nicht alle Trägerinnen und Träger eines Edelweisshemdes, dass sowohl der
Stoff als auch das Stoffmuster erstmals in den 1960er-Jahren von einer bernischen
Weberei in Roggwil hergestellt und nicht aus der Trachtenmode übernommen
wurde.

In Pratteln wird der Gedanke der lebendigen Kultur dieses Jahr im Rahmenprogramm «Gemeinsamer Tanz der Nationen» auch sichtbar gemacht: Die Teilnehmenden werden nicht nur in den lokalen Trachten der Schweiz auftreten, sondern auch in denjenigen von über 100 weiteren Nationen. Dieses Spektakel der Farben und Stoffe wird deutlich machen, wie farbig und vielfältig die Bevölkerung im Baselbiet und in der Schweiz ist. Freudig werde auch ich teilnehmen und stolz meine Baselbieter Werktagstracht tragen, die mir unsere Oltinger Trachtenschneiderin aus alten Stoffen
neu auf den Leib geschneidert hat. Dabei werde ich mich sicher an unsere Zeit
in Bolivien erinnern, als unsere Kinder in den typisch bolivianischen Trachten an den
Umzügen der Schule im Hochland teilnehmen durften.
Gelebtes Brauchtum ist gemeinsames Feiern, gemeinsames Gestalten, gemeinsames Freuen, gemeinsames Lachen. Es ist nicht ausschliessend, sondern verbindet
die Menschen und sorgt für gemeinsame Erlebnisse. Ob am kleinen Dorffest im bolivianischen Hochland oder in der Festarena des Grossanlasses in Pratteln. 

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